Glauben Männer anders?

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Wird der Menschensohn noch Glauben auf der Erde finden, wenn er kommt? Wird er Männer finden, die glauben? Wahrscheinlich wird er nicht zu viele in den Kirchen antreffen, denn Männer können sich im Allgemeinen nicht mit der Kirche identifizieren. Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“ Dieses Zitat von Bischof Jaques Gaillot (*1935) gilt natürlich auch für die Männer. Manche Männer sind in der Regel auf die Kirche nicht allzu gut zu sprechen, sie gibt ihnen nichts. In ihren weichen Riten finden sie sich nicht wirklich angesprochen und beheimatet. Männer brauchen archaische, wilde Areale, sie wollen schwitzen, bluten, kämpfen, sie wollen Opfer bringen, sie wollen siegen und – wenn nötig – auch verlieren. Männer wie Juri Gagarin fliegen ins All, gehen wie Luis Armstrong auf dem Mond spazieren, stürzen sich wie Felix Baumgartner von einem Heißluftballon aus der Stratosphäre in die Tiefe, Männer wie Thomas Edinson erfinden die Glühbirne, Männer wie Johann Clarey rasen mit bis zu 162 km/h auf ihren Schiern die Streif am Hahnenkamm hinunter, Männer wie Usain Bolt laufen 100 m in nur 9,58 Sekunden, Männer wie Reinhold Messner erklimmen ohne Sauerstoffgerät im Alleingang alle vierzehn Achttausender, die Huberbuam klettern im Freestyle in schwindelnden Höhen auf ihren Fingerspitzen ohne Seil …

Männer erhalten Preise, Orden, Auszeichnungen, Trophäen, Männer fallen aber oft auch sehr tief: Männer sind – mitunter sehr kindische und tragische Helden (altgerm. Halil). Der Grad an Selbstüberschätzung und wahrem Heldenmut ist sehr schmal. Viele Männer scheitern an ihrer Hybris: Illegale Autorennfahrer jagen mit überhöhter Geschwindigkeit mit jungen Jahren in den Tod. Michael Jackson stirbt an der Schlafdroge Propofol. Er hat alles erreicht und noch viel mehr verloren.

Männer wollen mehr. Sie hocken wochenlang unter Lebensgefahr in engen U-Booten, sie graben Schützengräben und verteidigen unter hohen Verlusten und mit heroischem Mut ihr Land. Aber im Kreissaal kippen sie um, zuhause geben sie klein bei und unter Freunden wollen sie immer noch die Besten sein. Männer lassen sich nicht gerne in die Karten schauen. Männer sterben um einige Jahre früher als Frauen, sie erleiden mehr Herzinfarkte als Frauen, sie drangsalieren ihren Körper mit chronischer Überarbeitung, mit Kaffee, Nikotin und Alkohol. Sie suizidieren sich weit häufiger als Frauen, sie sind oftmals „einsame Wölfe“ auf gefährlichem Terrain, sie vernetzen sich nicht so klug und effizient wie Frauen, sie weinen leise. Sie leiten riesige Firmen mit Pokerface und berechnendem Kalkül und lassen sich nebenbei von ihren Frauen und Kindern an der Nase herumführen. Männer kaufen sich „Liebe“, Männer sind muskulös, Männer sind brutal, Männer tragen Glatze, sie sind außen hart und innen weich. Männer suchen den Kick und setzen sich dann heimlich von ihren Familien ab. Wie viele Jugendliche haben mir schon anvertraut, dass sie ihren Vater nie mehr sehen wollen, weil er sie verlassen habe, sich nicht um sie kümmere, sie nicht einmal mehr auf der Straße erkennen würde!

Die Kirche ist den Männern zu angepasst, zu altmodisch, zu moralisierend, die Liturgie zu monoton, die Predigt zu abstrakt, die Kirchenleitung oft zu kraftlos - Männer in Frauengewändern - und außerdem werden die Gottesdienstbesuche von Frauen dominiert. Feuer auf die Erde zu werfen ist Jesus gekommen, was für viele Männer bleibt ist kalte Asche, die in dogmatischen, weltfremden Formeln gehütet und lieblos, oft auch hochmütig weitergereicht wird.

Etliche Männer fühlen sich nicht wirklich in der Kirche mit ihren Fähigkeiten gebraucht, gerufen, herausgefordert. Die Männer müssten dort vermutlich brav und nett, fromm und gehorsam sein, doch das liegt ihnen nicht. Sie stehen lieber schwitzend am Grill, organisieren riskante Abenteuer in den Bergen, hängen in atemberaubenden Höhen an den Kirchtürmen, wo sie Dachschindeln decken, bauen riesige Holzschiffe für die Kinder in den Kindergärten, rufen oft unter widrigsten Umständen ansprechende Kinderspielplätze ins Leben, fahren in polternden Lastwägen unter großen Gefahren in ehemaligen Kriegsgebieten den Balkan bis nach Albanien hinunter, wo sie Kleider und Nahrungsmittel an Bedürftige verteilen … Männer bauen aber auch Raketen, Atombomben und höchstgefährliche, technisch anspruchsvolle Kriegsmaschinen.

Männer wollen riskieren, entscheiden, planen, kraftvoll zupacken, gestalten, verändern, ausführen, viele wollen diese Welt und Kirche ein Stück weit zu einem freundlicheren, lebensbejahenden Ort verwandeln. Sie möchten ernst genommen werden, sie wollen sich als erwachsene, fähige und mündige Männer in einer synodalen Kirche auf dem gemeinsamen Weg im Reich Gottes erfahren. Starres, dogmatisches und hierarchisches Denken ist ihnen fremd, das stoßt sie ab. Ein weichgespültes, frömmelndes, lebloses, angepasstes Wohl-Fühl-Christentum mit einem langhaarigen, bigotten Softie-Jesus im Zentrum lehnen sie genauso ab, wie die „Lieb-Jesulein-Piep-Piep-Piep-Mickey-Mouse-Gottesdienste“, die von eifrigen Müttern für ihre Kleinkinder in bester Absicht vorbereitet und gestaltet werden.

Ich frage mich oft, wenn ich Kirchen besuche: Sag mir, wo die Männer sind, wo sind sie geblieben? Wo gehen sie hin? Es ist bemerkenswert, dass wir mit den Männern in der Kirche auch oft die Jugendlichen verlieren. Auch sie finden hier keine wahre spirituelle Heimat. Das ist traurig, muss aber nicht unbedingt bedeuten, dass der Herr keinen Glauben mehr vorfinden wird, wenn er kommt … Vielleicht ist er eben nur anders?

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